Deutschland muss weltweites Vorbild für die Einhaltung der Menschenrechte werden
(LIGA Selbstvertretung/red; ahi) „Wir müssen uns nicht nur für die Verwirklichung der Menschenrechte behinderter Menschen in Deutschland einsetzen, sondern auch als Vorbild für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit fungieren“, darauf wies der Sprecher der LIGA Selbstvertretung, Ottmar Miles-Paul, vor allem im Hinblick auf die Tatsache hin, dass Deutschland 2025 zusammen mit Jordanien Ausrichter des nächsten Global Disability Summit in Berlin ist. Mit dieser Vorbildfunktion Deutschlands ist für die LIGA Selbstvertretung als Interessenvertretung von bundesweit aktiven Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen verbunden, dass die Partizipation der Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen bei allen Maßnahmen sichergestellt wird. „Denn der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert“, spielt Miles-Paul auf ein Sprichwort an, das deutlich macht, dass nicht alles gut ist, was über die Köpfe anderer hinweg geplant und gemacht wird, wenn diese nicht beteiligt werden.
„Die Politik, die Verwaltung, Dienstleistungserbringer, die Zivilgesellschaft, aber auch die Behindertenverbände spielen alle für sich eine wichtige Rolle bei der Einhaltung der Menschenrechte. Gerade am Internationalen Tag der Menschenrechte, der heute am 10. Dezember begangen wird, gilt es, die Menschenrechte behinderter Menschen weltweit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken und eine Vorbildfunktion einzunehmen. Denn diese Menschenrechte werden täglich immer noch massenhaft mit Füßen getreten“, betonte der Sprecher der LIGA Selbstvertretung Ottmar Miles-Paul.
„Eine Vielzahl von Barrieren erschweren die Teilhabe behinderter Menschen. Durch eine Beschäftigung behinderter Menschen mit durchschnittlich 220 Euro im Monat weit unter Mindestlohn und ohne die üblichen Arbeitnehmer*innenrechte in Werkstätten für behinderte Menschen werden ca. 320.000 behinderte Menschen in Deutschland massiv benachteiligt. Die Aussonderung in Behinderten- und Alteneinrichtungen, in denen hunderttausende behinderte Menschen in hoher Abhängigkeit und mit sehr eingeschränkten Wahlmöglichkeiten leben müssen, reduziert die Lebensqualität der Betroffenen enorm“, so Ottmar Miles-Paul.
Diese Praxis widerspreche eindeutig den Anforderungen des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-Behindertenrechtskonvention), das in Deutschland seit 26. März 2009 Gesetz ist. Vor allem werde die Chance verspielt, Inklusion von Anfang an in Schulen zu leben und zu lernen, indem viele behinderte Kinder und Jugendliche immer noch in Förderschulen abgeschoben werden.
„Angesichts dieser massiven Menschenrechtsverletzungen von Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen müssen die Bundesregierung und die Landesregierungen endlich durch die Schaffung und Anpassung entsprechender gesetzlicher Regelungen der Aussonderung und Diskriminierung behinderter Menschen konsequent entgegentreten. Deshalb ist es wichtig, dass endlich umfassende Regelungen zur Barrierefreiheit in allen Bereichen geschaffen, dass Alternativen zur Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen ausgebaut und dass vielfältige ambulante Alternativen zu sogenannten ‚Heimen‘ geschaffen werden“, fordert Ottmar Miles-Paul. „Vor allem ist es wichtig, dass wir genau hinschauen, wo es Menschenrechtsverletzungen behinderter Menschen gibt und diese nicht verschleiern, sondern beim Namen nennen. Jede*r kann dabei selbst prüfen, ob er bzw. sie selbst in solchen Situationen leben wollte, wie sie behinderte Menschen häufig erleben müssen. Inklusion und Selbstbestimmung müssen gefördert und nicht behindert werden.“
Deutschland habe eine wichtige Vorbildfunktion in der Welt und dieser müssten wir endlich gerecht werden. „Wie peinlich ist es denn, wenn im Juni 2023 tausende von Teilnehmer*innen der Special Olympics nach Deutschland kommen und mit unseren aussondernden Einrichtungen und den vielfältigen Barrieren konfrontiert werden. Wie peinlich ist es, wenn ein Land wie Deutschland Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit predigt und vermeintlich fördert, wenn wir selbst hunderttausende Menschen entgegen aller Standards der UN-Behindertenrechtskonvention ihrer Menschenrechte berauben?“ fragt Ottmar Miles-Paul. „Noch hat Deutschland gut zwei Jahre Zeit zum Umsteuern, um beim Global Disability Summit wenigstens einigermaßen glaubhaft zu vermitteln, dass wir es mit der Inklusion, Barrierefreiheit, Selbstbestimmung, Partizipation und der Einhaltung der Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention ernst meinen.“
Die LIGA Selbstvertretung ist ein Zusammenschluss von 13 bundesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen, die von behinderten Menschen selbst verwaltet, geführt und gelenkt werden.