Wenn es bei der Krankenkasse mal wieder länger dauert

Genehmigungsfiktion heißt nicht automatisch Genehmigung einer beantragten Leistung

(Polio-Nachrichten, rehamedia/red.; ahä) Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patienten und Patientinnen aus dem Jahre 2013 wollte der Gesetzgeber die Patientenrechte stärken und unter anderem die gesetzlichen Krankenkassen zu schnelleren Entscheidungen zwingen.

Krankenkassen müssen seitdem über einen Antrag auf Leistungen innerhalb von drei bzw. fünf Wochen (wenn ein Gutachten eingeholt wird) nach Antragseingang entscheiden. Kann die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, teilt sie das den Antragstellenden unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit.

Genehmigungsfiktion nur bei „erforderlichen“ Leistungen

Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt, die sogenannte Genehmigungsfiktion tritt ein. Beschaffen sich Antragstellende nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

Gemäß den Urteilen des Bundessozialgerichtes vom 26.05.2020 (B 1 KR 9/18 R) sowie 17.06.2021 (B 3 KR 11/20 R) gilt die Möglichkeit der Selbstbeschaffung aber nur so lange, bis die Krankenkasse eine Entscheidung über den Antrag trifft. Sobald die Krankenkasse – auch verspätet – eine Entscheidung getroffen hat, endet die Möglichkeit der Selbstbeschaffung.

Risiko der Selbstbeschaffung

Rechtsanwalt Leif Steinecke mahnt jedoch gegenüber der Polio Nachrichten Nr. 1/2022 zur Vorsicht bei der Genehmigungsfiktion. Es ist zwar korrekt, dass nach Ablauf der fünf Wochen die Genehmigung per Gesetz als erteilt gilt, aber eben nur bei „erforderlichen“ Leistungen.

Hierzu erläutert er: „Selbst wenn die Kassen die Fristen nicht einhalten, müssen sie die Kosten für Leistungen nicht übernehmen, falls diese, nach Prüfung durch ein Gericht, nicht als notwendig angesehen werden. Darüber, was medizinisch notwendig ist, konnte man schon vor dieser Gesetzesänderung trefflich streiten und dies bleibt so.“

Es werden zwei Probleme deutlich: Zum einen können es sich viele Antragstellende finanziell nicht leisten, eine beantragte Leistung auf eigenes wirtschaftliches Risiko anzuschaffen. Zum anderen besteht in vielen Fällen mit Genehmigungsfiktion das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben, wenn die Leistung nicht durch ein Gericht als notwendig eingestuft wird. Hierzu muss der Antragstellende aber wieder den Weg des Klageverfahrens gehen, welcher langwierig sein kann und viel Zeit in Anspruch nimmt.

Stärkung der Patientenrechte sieht anders aus

Diese Situation stellt den Sinn der gesetzlichen Genehmigungsfiktion in Frage. Die Rechte der Patienten und Patientinnen werden deutlich geschwächt. Rechtsanwalt Jörg Hackstein führt gegenüber rehaKIND e. V. bereits im Jahr 2020 dazu aus: „Wenn der Gesetzgeber weiter Interesse an der Stärkung der Patientenrechte und insbesondere an schnellen Entscheidungen der Krankenkassen hat, muss er das Nichteinhalten von Entscheidungsfristen zugunsten der Patienten auf Seiten der Kostenträger effektiv sanktionieren und dies vor allem auch für den Sachleistungsanspruch sicherstellen. Die wenigsten Patienten können es sich auf eigenes Risiko erlauben, Leistungen selbst zu beschaffen.“

Leif Steinecke rät daher in der aktuellen Ausgabe der Polio-Nachrichten immer dazu, spätestens nach fünf Wochen zu prüfen, ob über einen Antrag durch die Krankenkasse entschieden wurde. „In vielen Fällen dürfte die Genehmigungsfiktion eintreten“, so Steinecke.

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Anne Hähnel
Mitarbeiterin Fachstelle Teilhabekoordination in der LAG SH
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