Fachgespräch inklusive Arbeitsplätze und Inklusionsbestriebe

Am 20.04.2023 fand im Sächsischen Landtag ein Fachgespräch zum Thema „Inklusive Arbeitsplätze und Inklusionsbestriebe“ der Fraktion DIE LINKE statt. Die LAG SH Sachsen nahm im Sinne der Interessenvertretung ihrer Mitgliedsverbände und aller Menschen mit Behinderung teil. Dem Fachgespräch ging eine Große Anfrage der Linken voraus.

„Die bekomme ich nie wieder los!“

Bei der Diskussion wurden viele Probleme, die derzeit einen inklusiven Arbeitsmarkt verhindern, thematisiert. Seitens der Unternehmen steht einer Einstellung eines Menschen mit Behinderung außer fehlender Wille auch Falschannahmen entgegen. Oft gehen Arbeitgeber davon aus, dass behinderte Menschen „unkündbar“ seien, was jedoch nicht stimmt.

Unternehmer denken nicht inklusiv, sondern vor allem monetär. Damit kann das vermeintliche Risiko, welches ein Arbeitgeber bei Einstellung eines Menschen mit Behinderung eingeht, abschreckend wirken. Behinderten Menschen wird oft wenig zugetraut.

Auf der anderen Seite trauen sich Menschen mit Behinderungen oftmals auch wenig zu und verkaufen sich unter Wert. Hier gilt es, Menschen zu empowern, ihnen also Mittel und Wege der Selbstbestimmung an die Hand zu geben, damit sie sich auf dem ersten Arbeitsmarkt behaupten können.

Zudem muss die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung auch wieder in den Vordergrund gestellt werden. Oft bestimmen ihre Betreuer und meinen, im Sinne des Menschen mit Behinderung zu entscheiden. Dann fallen oft Sätze wie „In einer Werkstatt bist du gut aufgehoben“. Kann sich der Mensch mit Behinderung dann nicht durchsetzen, ist sein Weg fremdbestimmt.

Was kann die Politik für die Arbeitgeber tun?

Selbst wenn ein Arbeitgeber willens ist, Menschen mit Behinderungen einzustellen, liegen dem viele Steine im Weg. Die Bewilligung der Arbeitsplatzausstattung und weiterer Leistungen dauert teilweise viel zu lang. Daran ändern wird hoffentlich das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts, welches am 20.04.23 vom Bundestag verabschiedet wurde. Dort ist das Einführen einer sogenannten Genehmigungsfiktion für die Anspruchsleistungen des Integrationsamtes festgehalten. Das heißt, dass nach Ablauf von sechs Wochen ein Antrag auf Leistungen wie Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung als genehmigt gilt. Die Genehmigungsfiktion ist somit ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Dennoch gibt es viele weitere bürokratische Prozesse, die vereinfacht werden müssen.

Weiterhin muss am Instrument der Arbeitsassistenz gefeilt werden. Diese Stellen sind oft schlecht bezahlt und daher unattraktiv. Menschen mit Behinderungen haben Probleme, entsprechende Assistenzen zu finden. Hinzu kommt der allgemeine Fachkräftemangel.

In der Diskussion wurden auch Erfahrungswerte geteilt. So seien Sensibilisierungsmaßnahmen und Kampagnen für Arbeitgeber größtenteils unwirksam. Individuelle und persönliche Gespräche sind dafür hilfreicher und zielführender.

Was müssen Unternehmen ändern?

Obschon hier generationsbedingtes Umdenken erkennbar ist, bieten Unternehmen und oft auch öffentliche Behörden nach wie vor wenig Arbeitszeitflexibilität. Eine Möglichkeit, um den entgegenzuwirken, sind sogenannte Arbeitszeitkonten. Zudem muss die veraltete Meinung der 40-Stunden-Woche neu gedacht werden. Hier spielen gleichzeitig die Anforderungen der jüngeren Generationen eine große Rolle, von der Menschen mit Behinderungen profitieren können und werden.

Generell sind Stellenangebote oft unattraktiv und geprägt von überzogenen Anforderungen, die Menschen mit Behinderungen vielmals abschrecken, sich überhaupt zu bewerben.

Übergreifendes Denken ist erforderlich

Ein inklusiver Arbeitsmarkt ist nur zu erreichen, wenn intersektional gearbeitet wird. Mobilität und Barrierefreiheit sind Voraussetzungen, um Menschen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Beispielsweise sind Arbeitsorte, die außerhalb großer Orte oder Großstädte liegen, vielfach nicht barrierefrei zu erreichen. Menschen mit Behinderungen sind jedoch oft auf den ÖPNV angewiesen.

Birger Höhn, Beauftragter für Inklusion und Mitglied im Dresdner Stadtverband der Linken, betonte ebenso, dass ein inklusiver Arbeitsmarkt mit inklusiver Bildungspolitik beginnen muss. Sonst ist der Weg von der Förderschule in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) vorgezeichnet. Menschen mit Behinderungen werden dann von Anfang an in Sonderwelten abgeschoben. Zudem sollten laut Höhn mehr Begegnungsstätten geschaffen werden, um Berührungsängste abzubauen.

Sarah Buddeberg, Inklusionsbeauftragte der LINKEN, erklärte, dass WfbM nur unter bestimmten Voraussetzungen ihre Berechtigung haben. Zunächst einmal müssten sie ihre Funktion ändern und ihrer originären Aufgabe nachgehen, Menschen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Empowerment muss an erster Stelle stehen. Weiterhin sollten WfbM keine Ängste bei ihren Mitarbeitenden schüren, sondern ermuntern, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu entfalten. Zu guter Letzt benötigen wir eine inklusive Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden oder traumatische Erlebnisse machen. Bei allem muss Selbstbestimmung und Wahlfreiheit an erster Stelle stehen.

Zusammenfassung

Die Diskussion erwies sich als fruchtbar und stellte einen guten Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung dar. Die LAG SH Sachsen konnte erfolgreich einige wichtige Punkte einbringen, die für die Oppositionsarbeit von Bedeutung sein wird.

 

Autorin: Anne Hiecke, LAG SH Sachsen