Wahlforum bei der öffentlichen Sitzung des Landesbeirat für Inklusion der Menschen mit Behinderungen
Die Landtagswahlen in Sachsen am 01. September 2024 rücken näher. Derzeit finden überall im Freistaat Wahlforen und Podiumsdiskussionen mit Vertretenden der Parteien statt, um den Politiker*innen auf den Zahn fühlen zu können. So auch bei der öffentlichen Sitzung des Landesbeirats für Inklusion der Menschen mit Behinderungen am 01. August, genau einen Monat vor der Wahl. Welche Positionen vertreten die Parteien im Hinblick auf Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen? Welche Ansätze verfolgen sie, um Bildung, Gesundheit, Wohnen und Mobilität inklusiver zu machen? Diese Fragen wurde den teilnehmenden Parteivertreter*innen bei dem moderierten Wahlforum gestellt:
- AfD Sachsen, André Wendt
- Bündnis 90/Die Grünen, Petra Čagalj Sejdi
- Bündnis Sahra Wagenknecht, Doreen Voigt
- CDU-Landesverband Sachsen, Eric Dietrich
- Die Linke. Sachsen, Susanne Schaper
- FDP-Landesverband Sachsen, Norma Grube
- SPD-Landesverband Sachsen, Antje Junghans
Durch die Kürze der Zeit konnten weder Publikumsfragen zugelassen werden noch Rückfragen an die Kandidat*innen durch die Moderatorin erfolgen. Bei genauem Hinhören ließ sich dennoch die ein oder andere Schlussfolgerung ziehen.
Novellierung Sächsisches Inklusionsgesetz mit Verpflichtung der Kommunen
Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem das Inklusionsgesetz nicht auch für die Kommunen gilt. Aktivist*innen, Verbände und auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen fordern daher schon länger eine Novellierung des Gesetzes. So wurde den Kandidat*innen die Frage gestellt, ob ihre Partei beabsichtigt, das Sächsische Inklusionsgesetz zu novellieren und dabei die Kommunen zu verpflichten. Ein eindeutiges „Ja“ kam dabei nur den Vertretenden der Grünen, der Linken und der SPD über die Lippen. Alle weiteren Vertretenden bekannten sich zu einer Novellierung und wünschten sich auch eine Einbeziehung oder Verpflichtung der Kommunen, kamen aber immer wieder auf die Finanzierung zu sprechen – im Prinzip nichts Schlechtes, es darf aber nicht zur Ausrede werden, warum eine Verpflichtung der Kommunen dann letzten Endes nicht umgesetzt werden konnte. So äußerte sich Antje Junghans denn auch, dass die Koalitionspartner SPD und Grüne in der Legislatur 2019-2024 versucht hätten, das Sächsische Inklusionsgesetz zu novellieren und die Kommunen zu verpflichten, aber am Widerstand der CDU und Kommunen gescheitert wären. Daher müsse man, so Junghans, in der kommenden Legislaturperiode die Schuldenbremse aufweichen, damit mehr investiert werden könne. Denn: Sachsen hat die stärkste Schuldenbremse Deutschlands, was sich langfristig nur nachteilig auswirken könne, sagte die Vertreterin der SPD.
Andre Wendt von der AfD indes gab beim Thema Novellierung Inklusionsgesetz zu bedenken: „Beiräte sind wichtig, aber man muss gucken, das muss alles ein Maß und Mitte haben, weil auch Beiräte zu Bürokratisierung in vielen Bereichen beitragen und auch Prozesse in gewissem Maße verschleppen“, sodass man in den Kommunen dann auch „schlanke Strukturen“ brauche. Will die AfD kommunale Beiräte also abschaffen?
Inklusive Bildung
Das Recht auf inklusive Bildung stand als weiteres Thema auf der Tagesordnung. Linke, Grüne und SPD wollen ein Konzept entsprechend den Forderungen des Fachausschusses der UN-BRK, um das System der Förderschule Schritt für Schritt ins Regelschulsystem zu überführen. Dabei sollen die Lehrer*innen eingebunden werden. Parteivertreter*innen der CDU, FDP, AfD und BSW dagegen wollen die Forderungen der UN-BRK, Sondersysteme abzuschaffen, dahingehend ignorieren, dass Förderschulen bestehen bleiben sollen. Begründet wird dies von den Parteivertreter*innen oft mit dem Willen der Eltern. Inklusion in Regelschulen solle zwar ermöglicht werden, aber manchmal sei ein Kind an einer Förderschule einfach besser aufgehoben. Dass das nicht den Forderungen der UN-BRK entspricht und der Weg von einer Förderschule meist direkt in eine Werkstatt für behinderte Menschen führt, schien die Politiker*innen indes nicht zu stören.
Eric Dietrich vom CDU-Landesverband sagte sogar: „Jeder, der es möchte, der es leisten kann, muss auf eine Regelschule und da sollten vor allem Barrieren keine Rolle spielen.“ Auch der Kandidat der AfD, André Wendt, äußert sich ähnlich und treibt seine Aussage auf die Spitze: „Da, wo es möglich ist, sollten natürlich Bedingungen geschaffen werden, dass behinderte Menschen […] in der Regelschule unterrichtet werden können – ich denke da in erster Linie an die körperlich Behinderten.“ Heißt das im Umkehrschluss, dass für die CDU und AfD nur körperbehinderte Menschen leistungsfähig genug sind, auf einer Regelschule zu lernen, und sollten z. B. Menschen mit Lernschwierigkeiten generell keinen Zugang zu anderen Schulen außer Förderschulen erhalten?
Wahlforum weiterhin abrufbar
Auch wenn ein Faktencheck fehlte und keine Diskussionen zwischen Zuschauenden und Politiker*innen entstehen konnten, gab das Wahlforum einen interessanten Einblick in die Vorhaben der Parteien. In voller Länge ist es auf YouTube abrufbar.
Foto: Staatskanzlei/Pressestelle
Autorin: Anne Hiecke, LAG SH Sachsen