Sozialministerium fördert Werkstattneubau in Reichenbach mit 6,8 Millionen Euro
Ministerin Köpping: »Neubau ermöglicht Menschen mit Behinderung zeitgemäße Arbeitsbedingungen«
(Erstveröffentlichung 06.11.2023 durch Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt/red; ahi) In der Werkstatt für behinderte Menschen in Reichenbach sind derzeit 277 Menschen mit einer geistigen und/oder Mehrfachbehinderung in mehreren Betriebsstätten in Tätigkeitsfeldern wie Tischlerei, Elektromontage, Schlosserei, Küche/Hauswirtschaft, Tampondruck/Kreativabteilung, Kartonage beschäftigt. Bereits seit 2017 engagiert sich das Team der Lebenshilfe, um den dringend notwendigen Ersatzneubau für die ansässige Hauptwerkstatt zu realisieren. Mit der finanziellen Unterstützung des Vogtlandkreises, der Bundesagentur für Arbeit und des Freistaates kann das Vorhaben nun bis Ende 2026 umgesetzt werden.
Am 06. November 2023 überreichte Sozialministerin Petra Köpping den Zuwendungsbescheid des Freistaates Sachsen in Höhe von 6,8 Millionen Euro aus der Förderrichtlinie des Sozialministeriums zur investiven Förderung von Einrichtungen, Diensten und Angeboten für Menschen mit Behinderungen (FRL Investitionen Teilhabe) an Torsten Stolpmann, geschäftsführender Vorstand der Lebenshilfe Reichenbach.
Ministerin Köpping: »Der Neubau ermöglicht Menschen mit Behinderung das Arbeiten in einer zeitgemäßen Produktionsumgebung. Ich freue mich, dass das Team der Lebenshilfe gemeinsam mit anderen Partnerinnen und Partnern auf Bundes- und kommunaler Ebene die Kofinanzierung für das anspruchsvolle Projekt sicherstellen konnte. Für uns als Sozialministerium bedeutet die finanzielle Unterstützung des Projektes ebenfalls einen Meilenstein im Rahmen der Förderung von Investitionen im Bereich der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. In Zeiten anstehender Veränderungen wollen wir damit deutlich machen: Die Werkstätten haben eine Zukunft! Deshalb gilt mein herzlicher Dank Allen, die sich so für die Realisierung des Projektes engagiert und eingesetzt haben.«
Torsten Stolpmann, geschäftsführender Vorstand der Lebenshilfe Reichenbach: »Mit dem Neubau werden nicht nur moderne Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Hauptwerkstatt geschaffen, sondern auch die Kapazitäten der Mitarbeiterzahl auf sogenannten ausgelagerten Arbeitsplätzen bei Firmen in der Region gesteigert. In den zukünftigen Arbeitsbereichen steht der Rehabilitationsgedanke im Vordergrund.
Hier werden die Menschen mit den verschiedensten Handicaps auf eine mögliche Wiedereingliederung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet.
Hierzu tragen im Wesentlichen die Geschäftsfelder Tischlerei, Schlosserei, Elektromontage und Kartonage bei. Im Zuge dieser auch für die Lebenshilfe Reichenbach bemerkenswerten Investition von ca. 12,5 Millionen Euro Gesamtkosten bereiten wir uns auf die zukünftigen Herausforderungen für die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen in Werkstätten vor. Dieses gut angelegte Geld wird über viele Jahre hinaus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werkstatt eine umfassende Barrierefreiheit, größtmögliche Sicherheit und Zufriedenheit bieten.«
Stellungnahme der LAG SH Sachsen
Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) stehen in letzter Zeit vermehrt in der Kritik. Die WfbM sollen die Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereiten, aber nur ein Bruchteil schafft den Sprung dorthin.
Aus Sicht der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist zweifelhaft, ob das System der WfbM menschenrechtskonform ist. Eine Überarbeitung scheint schon länger überfällig. Mehrfach wies der UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinen Berichten bereits darauf hin, dass Deutschland eine Ausgangsstrategie erarbeiten muss und Anstellungen für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen muss, zuletzt bei der Staatenprüfung im August diesen Jahres. Umso verwunderlicher ist es, dass das SMS nun so kurz nach der letzten Staatenprüfung einen Neubau in der WfbM in Reichenbach fördert und Ministerin Köpping den Werkstätten eine feste Zukunft bescheinigt. Die Einschätzung der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, dass ein Paradigmenwechsel in Gesellschaft und Politik nicht zu erkennen sei (S. 8), scheint also auch in Sachsen zuzutreffen.
Gleichzeitig vernimmt die LAG SH Sachsen immer wieder Meinungen von Werkstattangestellten, die Angst davor haben, den Schutzraum der WfbM zu verlassen. Oft steckt dahinter jedoch ein Zureden von Eltern oder Sorgeberechtigten, die froh darüber sind, ihr Kind gut untergebracht zu haben. Bei der Überarbeitung des Entgeltsystems in den WfbM, welcher sich die Bundesregierung verschrieben hat, muss also besonders umsichtig und mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der in Werkstätten angestellten Menschen mit Behinderung vorgegangen werden.
Die LAG SH Sachsen begrüßt, dass der Neubau auch die ausgelagerten und damit arbeitsmarktnahen Arbeitsplätze steigern soll und dass laut geschäftsführendem Vorstand der Lebenshilfe Reichenbach, Torsten Stolpmann, der Rehabilitationsgedanke wieder stärker in den Vordergrund rücken soll. Denn bei der letzten Podiumsdiskussion im November 2022 wurde auch betont, dass die WfbM wieder stärker ihrem Auftrag als Bildungsträger nachkommen sollen und mehr Menschen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln sollen.