Menschenrechtsinstitut fordert Überwindung segregierender Werkstatt-Strukturen
(www.eu-schwerbehinderung.eu/red; ahi) Das Institut für Menschenrechte kritisiert Deutschlands segregierte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in Behindertenwerkstätten. Trotz der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Arbeit in einem inklusiven Umfeld betont, sind etwa 300.000 Menschen mit Behinderungen in Behindertenwerkstätten beschäftigt. Die aktuellen Werkstatt-Systeme führen zu Segregation und Exklusion, was auf die mangelnde Inklusivität des Arbeitsmarktes hinweist.
Das Institut bezeichnet diesen Zustand als konventionswidrig und ungerecht. Es weist darauf hin, dass in Deutschland weiterhin ein stark ausgebautes System von Sonderstrukturen besteht, dass Menschen mit Behinderungen eine segregierte Beschäftigung aufzwingt. Dies verletzt ihr grundlegendes Recht, ihren Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit in einem offenen, inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld zu verdienen.
Artikel 27 UN-BRK enthält „das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“. Dieses fundamentale Menschenrecht wird nicht verwirklicht für Menschen, für die praktisch nur die Möglichkeit einer segregierten Beschäftigung besteht.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im vergangenen Jahr einen Reformprozess begonnen, um dem jetzigen konventionswidrigen Zustand der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Deutschland zu begegnen.
Zur Unterstützung des Vorhabens hat die Monitoring-Stelle UN-BRK des Instituts dem BMAS ein Eckpunktepapier mit wesentlichen, aus menschenrechtlicher Sicht zu beachtenden Aspekten zugeleitet.
Die geplante Reform sieht Änderungen in vier Handlungsfeldern vor:
- Zugang in die Werkstatt
- Übergang aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
- Werkstattentgelt: Transparenz und Angemessenheit
- Teilhabe von Menschen mit komplexen Behinderungen
Das Institut für Menschenrechte betont die Notwendigkeit, segregierende Strukturen zu durchbrechen und zu reduzieren, um ein inklusives System zu schaffen. Effektive Übergänge vom schulischen Lernen über berufliche Bildung bis zur Arbeit müssen sichergestellt werden, und wahre Wahlmöglichkeiten sind unerlässlich.
Deutschland als Vertragsstaat der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Verpflichtung, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und im Erwerbsleben zu ermöglichen, ohne Abstriche zu machen.
In Bezug auf höhere Durchlässigkeit und passende Rahmenbedingungen mahnt das Institut an, Barrieren beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzubauen. Werkstatt-Beschäftigte sollten Zugang zu fachkundiger Beratung und umfassender Unterstützung haben. Effektive Rahmenbedingungen seitens der Arbeitgeber*innen erfordern motivierende Elemente, nicht nur Sanktionen.
Die derzeitige Entlohnung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen unterhalb des Mindestlohns wird als konventionswidrig eingestuft. Das Institut für Menschenrechte fordert, dass Werkstatt-Beschäftigte durch den Mindestlohn Autonomie durch finanzielle Mittel erlangen sollten. Ein etabliertes und existenzsicherndes Lohnsystem eröffnet die Möglichkeit, die Erwerbsminderungsrente anzugehen, Finanzielle Nachteile erst entstehen zu lassen und dann im Nachhinein auszugleichen, ist menschenrechtlich betrachtet nicht vertretbar.
Bild: Gesellschaftsbil