Anhörung Schulgesetzänderung: Für mehr Inklusion an unseren Schulen
(Pressemitteilung BÜNDNIS GRÜNE im Landtag Sachsen/red; ahi) Der Ausschuss für Schule und Bildung des Sächsischen Landtags hat sich heute in einer öffentlichen Anhörung mit dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes (Drs 7/10338) mit Blick auf Inklusion befasst.
Dazu erklärt Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
„Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen miteinander leben und lernen können. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Regelschule inklusiv beschult werden, wenn die Familie es wünscht. Um das zu erreichen, haben sich in Sachsen Kooperationsverbünde gegründet: Sie sollen eine wohnortnahe, inklusive Unterrichtung in allen Förderschwerpunkten ermöglichen. Wenn es keine Einigung darüber gibt, welche Schule im Verbund das Kind aufnehmen kann, soll künftig die Schulaufsicht den Ort der inklusiven Beschulung festlegen können. Uns BÜNDNISGRÜNEN ist diese Regelung wichtig, damit keine Familie mehr von Pontius nach Pilatus laufen muss und am Ende gar ohne Schulplatz für das eigene Kind dasteht.“
Manuela Scharf, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen und Senioren der Landeshauptstadt Dresden und Sachverständige in der Anhörung, fügt hinzu:
„Wichtig ist die Zusammenarbeit bereits vor der Einschulung. Die Information zum inklusiven Angebot einer Schule muss rechtzeitig die richtige Zielgruppe erreichen, um ungenutzte Chancen künftig ermöglichen zu können. Zusätzlich sollten die Erfahrungen und Kompetenzen aus der Pilotphase erhalten bleiben, eine Öffnungsklausel für die Weiterführung der Pilotphase, durch Schulen, die dies möchten, wäre wünschenswert. Zumindest sollten die Erkenntnisse in die Kooperationsverbünde hineingetragen werden.“
Christin Melcher ergänzt:
„Mit der Schulgesetzänderung beenden wir zudem die Pilotphase einiger sächsischer Grundschulen, die in den vergangenen Schuljahren auf die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs in den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung vor der Einschulung und in Klassenstufe 1 verzichtet haben. Diese Entscheidung ist uns BÜNDNISGRÜNEN nicht leicht gefallen. Die Pilotphase zum Diagnostikverzicht stand und steht aufgrund der Corona-Pandemie unter keinem guten Stern. So konnten weder weitere Erfahrungen im lernzieldifferenten Unterricht gesammelt noch diagnostische Methoden und Materialien erprobt werden. Fachtagungen und Schulbesuche konnten nicht wie geplant stattfinden und die personellen Ressourcen der Schulen waren pandemiebedingt minimiert. Dennoch ist das Feedback der Schulleiterinnen und Schulleiter der beteiligten Grundschulen deutlich: Eine frühzeitige Diagnostik ist wichtig, um frühestmöglich sonderpädagogische Unterstützung für die darauf angewiesenen Kinder anbieten zu können. Deshalb wird die Pilotphase nicht fortgeführt. An der Sicherung der gewonnenen Erkenntnisse und der Weiterentwicklung der inklusiven Bildung arbeiten wir unvermindert weiter.“
„Wir begrüßen die Ausweitung der lernzieldifferenten Unterrichtung auf Berufsschulen und Berufsfachschulen. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit auch eine Aufgabe für alle Schulen und Schularten gleichermaßen. Nicht umsonst heißt es im Schulgesetz: ‚Inklusion ist ein Ziel der Schulentwicklung aller Schulen.‘ Dieses Ziel gilt es mit Leben zu füllen.“
„Schließlich hoffe ich, dass der neue Bildungsgang zur ‚Erlangung der Berufsreife‘ an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen mehr Schülerinnen und Schülern einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschluss ermöglicht und damit anschlussfähig ist für den weiteren beruflichen Werdegang der jungen Menschen.“
Hintergrund:
Im Schulgesetz heißt es in § 4c Abs. 3 Satz 4 und 5: „An Grundschulen und Gemeinschaftsschulen soll ein Feststellungsverfahren für die Förderschwerpunkte Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung grundsätzlich frühestens im Verlauf der zweiten Klasse eingeleitet werden. Zur personellen Unterstützung in der Schuleingangsphase sollen öffentliche und freie Träger von Grundschulen und Gemeinschaftsschulen pauschalisierte zweckgebundene Zuweisungen erhalten.“
In § 64 Abs. 8 ist festgelegt: „§ 4c Absatz 3 Satz 4 und 5 gilt bis 31. Juli 2023 nur für ausgewählte Schulen mit Primarstufe, die sich im Rahmen einer Pilotphase aufgrund eines von der Schulkonferenz beschlossenen Konzeptes mit Zustimmung der Schulaufsichtsbehörde bereit erklärt haben, auch Schüler mit möglichem sonderpädagogischen Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung zu unterrichten und die Entwicklung des Schülers in der Klassenstufe 1 in das Feststellungsverfahren für diese Förderschwerpunkte einzubeziehen.“
In § 64 Abs. 10 wird festgelegt, dass die Staatsregierung dem Landtag bis September 2021 über den Stand der Inklusion berichten und dieser anschließend über eine Verlängerung der Pilotphase entscheiden muss. Zum Bericht Umsetzung Inklusion (Drs 7/7714) hat bereits im Dezember 2021 eine Anhörung stattgefunden.