Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht

(BAG Selbsthilfe/red; lh) Am 09.02.2023 hat der Bundestag eine Änderung des §32 BGB beschlossen. Danach ist es zukünftig möglich, eine virtuelle oder hybride Mitgliederversammlung durchzuführen, auch ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung.

Hintergrund

Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 BGB werden die Beschlüsse des Vereins – soweit kein anderes Organ zuständig ist – in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Diese Formulierung wird allgemein so verstanden, dass die Mitglieder räumlich an einem bestimmten Ort zusammenkommen müssen, die Mitgliederversammlung also grundsätzlich in Präsenzform stattzufinden hat. 

§ 40 BGB ermöglicht es jedoch Vereinen, von § 32 Abs. 1 BGB abweichende Regelungen in ihren Satzungen zu treffen. Und im Zuge der digitalen Entwicklung haben manche Vereine in ihren Satzungen festgelegt, dass die Mitgliederversammlung auch in virtueller Form erfolgen kann. Die Gerichte forderten allerdings zusätzliche Satzungsvorgaben zur Form der Einberufung und zum Abstimmungsmodus in der virtuellen Mitgliederversammlung.

Während der Corona-Pandemie war es dann möglich gewesen, hybride und virtuelle Mitgliederversammlungen auch ohne entsprechende Regelung in der Satzung durchzuführen. Dies wurde ermöglicht, um Vereine in die Lage zu versetzen, trotz coronabedingter Kontaktbeschränkungen und Gesundheitsgefahren die Mitgliederversammlung einzuberufen und dort Beschlüsse zu fassen. Als diese Sonderregelungen jedoch Ende August letzten Jahres außer Kraft getreten waren, galten zunächst wieder die bisherigen Bestimmungen. Das bedeutete, dass eine virtuelle Mitgliederversammlung seit September 2022 wieder nur dann zulässig war, wenn die eigene Satzung dies ausdrücklich zuließ.

Viele Verbände, auch Mitgliedsorganisationen der BAG SELBSTHILFE, hatten in der Zwischenzeit ihre Satzungen angepasst. Aber auch der Gesetzgeber hatte festgestellt, dass die Möglichkeit zur Durchführung einer hybriden oder virtuellen Mitgliederversammlung während der Corona-Pandemie von vielen Vereinen rege genutzt wurde und auf Akzeptanz stieß. Zudem wurden aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Menschen über einen eigenen Online-Zugang verfügen, Bedenken ausgeräumt, bei virtuellen Versammlungen würde womöglich nur ein Teil der Mitglieder seine Rechte in der Mitgliederversammlung ausüben können.

Ausgehend von einer Initiative aus Bayern war es dann zu einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren gekommen, in dem sich schlussendlich auf den jetzigen Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht geeinigt wurde. In seiner Sitzung am 09.02.2023 wurde dieser Entwurf vom Bundestag angenommen (BT-Drs. 20/5585)

§ 32 BGB lautet somit künftig:

(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.

(3) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihrer Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.

Erläuterungen und Hinweise zu Neuregelungen in §32 Abs. 2 BGB

  • Die Neuregelung ermöglicht es den Vereinen, anstelle einer Mitgliederversammlung als reine Präsenzveranstaltung auch eine hybride oder eine rein virtuelle Mitgliederversammlung durchzuführen, und zwar auch dann, wenn die Satzung keine entsprechende Grundlage enthält.
  • Soweit die Satzung keine abweichende Regelung enthält, ist der Vorstand berechtigt, eine Mitgliederversammlung in Präsenzform oder auch eine hybride Mitgliederversammlung einzuberufen.
  • Die Einberufung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung muss zuvor von der Mitgliederversammlung beschlossen werden (soweit keine abweichende Satzungsregelung besteht). Vereine, die künftig auch rein virtuelle Mitgliederversammlungen durchführen bzw. die Möglichkeit dazu eröffnen wollen, müssen also zunächst auf einer Versammlung vor Ort oder auf einer hybriden Versammlung den entsprechenden Beschluss fassen, der dann erst bei der nächsten Mitgliederversammlung umgesetzt werden kann. Selbstverständlich kann dieser Beschluss der Mitgliederversammlung durch einen neuen Beschluss auch wieder rückgängig gemacht werden.
  • Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass alternativ auch außerhalb einer Mitgliederversammlung der Beschluss zur Durchführung virtueller Mitgliederversammlungen gefasst werden kann. Nach dem künftigen § 32 Abs. 3 (zuvor Abs. 2) BGB setzt das aber – soweit keine abweichende Satzungsregelung besteht – die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder voraus.
  • Eine virtuelle Mitgliederversammlung muss nicht zwingend in Form einer Videokonferenz stattfinden, sondern kann z.B. auch als Telefonkonferenz oder in einem sog. Chatroom stattfinden. Auch sind beispielsweise Abstimmungen durch E-Mail möglich. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Einberufung darüber informiert werden, welche konkreten Kommunikationsmittel zu verwenden sind. Außerdem ist darauf zu achten, dass auch hier die allgemeinen Erfordernisse für die Durchführung einer Mitgliederversammlung hinreichend beachtet werden, insbesondere die Nichtöffentlichkeit der Mitgliederversammlung sowie bei Beschlussfassungen die Berechtigung des Einzelnen zur Stimmabgabe.
  • Ein Verein ist selbstverständlich nicht gezwungen, die Möglichkeit zur virtuellen Mitgliederversammlung zu nutzen. Er kann sie sogar in seiner Satzung ausdrücklich ausschließen, wenn er eine solche Form grundsätzlich nicht vorsehen will.
  • Aufgrund der in § 28 BGB enthaltenen Verweisung auf § 32 BGB gelten die Neuregelungen auch für den Vorstand. § 28 BGB lautet: „Bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, erfolgt die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34.“ 
  • Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die sonstigen vereinsrechtlichen Erleichterungen während der Corona-Pandemie, die in § 5 GesRuaCOVBekG enthalten waren, von der jetzigen Neuregelung des § 32 BGB nicht erfasst sind. Wenn also ein Verein beispielsweise abweichend von § 32 Abs. 3 BGB (bisher Abs. 2) eine Beschlussfassung außerhalb der Mitgliederversammlung ermöglichen will, die nicht die Zustimmung aller Mitglieder erfordert, muss dies in der Satzung entsprechend festgelegt werden.

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