BGH-Urteil: Barrierefreier Umbau muss erlaubt werden

(Tagesschau/red; lh) Menschen mit körperlichen Einschränkungen sollen laut Gesetz leichter in ihre Wohnung kommen. Der BGH hat konkretisiert, wie das zu verstehen ist – und einen Außenaufzug in einem Mehrfamilienhaus erlaubt.

In dem Streitfall geht um ein mehrstöckiges Wohngebäude in München, bestehend aus zwei Teilen – einem Vorderhaus und einem Hinterhaus. Die gesamte Anlage wurde zwischen 1911 und 1912 gebaut und steht unter Denkmalschutz. Das Hinterhaus war früher ein sogenanntes Gesindehaus, wo früher die Bediensteten wohnten. Dort ist die Fassade eher schlicht gehalten, das Treppenhaus sehr eng.

Zwei Wohnungseigentümer, deren Wohnungen im oberen Bereich des Hinterhauses liegen, wollen dort auf eigene Kosten einen Außenaufzug anbringen lassen. Einer der Eigentümer ist der 70-jährige Klaus Ehrl: „Wenn ich in die Wohnung hoch will, muss ich über 100 Treppenstufen gehen. Das war das ehemalige Gesindehaus, entsprechend schmal ist der Aufgang“, erläutert er die Gründe, warum er einen Außenaufzug für notwendig hält.

Mehrheit der Eigentümer sieht Aufzug als Einschränkung

Doch die Mehrheit der Eigentümergemeinschaft lehnt den Außenaufzug ab. Durch diesen werde es im Innenhof zu eng, so der Hausverwalter Kai Herzog, der ihre Interessen vertritt. „Der überwiegende Teil der Eigentümer geht davon aus, dass ein Aufzug – egal in welcher Form er eingebaut wird – eine große bauliche Maßnahme wäre. Dadurch würde der Innenhof noch enger, und der Platz für Fahrräder sowie Mülltonnen unnötig eingeschränkt.“

In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof nun geklärt, welche Maßstäbe in solchen Streitfällen gelten, und wie die gesetzlichen Vorschriften auszulegen sind.

Der Hintergrund ist eine Änderung der Vorschriften durch den Gesetzgeber 2020, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Nach Paragraph 20 Absatz 2 des Gesetzes über Wohnungseigentum (WEG) kann jeder einzelne Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen am oder im Haus verlangen, wenn dadurch Menschen mit einer Behinderung ein erleichterter Zugang zu den Wohnungen ermöglicht wird. Die baulichen Veränderungen müssen laut Gesetz aber „angemessen“ sein.

Veränderungen nur in „absoluten Ausnahmen“ abzulehnen

Der BGH hat nun zum ersten Mal konkretisiert, was darunter zu verstehen ist: Unangemessen sind bauliche Veränderungen nur in absoluten Ausnahmefällen, so die Vorsitzende Richterin des 5. Zivilsenats des BGH, Bettina Brückner: „Das wird nur bei außergewöhnlichen Begebenheiten oder außergewöhnlichen Begehren anzunehmen sein“, begründete sie.

Eingriffe in die Bausubstanz aber, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten, die der Barrierefreiheit dienen, seien dagegen angemessen.

Im konkreten Fall, so der Bundesgerichtshof, sei der Anbau eines Außenaufzugs jedenfalls angemessen. Die anderen Wohnungseigentümer müssen deshalb den Anbau hinnehmen.

Kosten für Umbau trägt der Initiator

Nach den gesetzlichen Vorschriften müssen Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen im Übrigen dann nicht akzeptieren, wenn dadurch die gesamte Wohnanlage grundlegend umgestaltet und verändert wird. Dies sei hier aber nicht der Fall, so der BGH.

Das höchste deutsche Zivilgericht betont in seiner Entscheidung, dass Baumaßnahmen, die der Barrierefreiheit dienen, von demjenigen Wohnungseigentümer bezahlt werden müssen, der die Maßnahme verlangt. Die Eigentümergemeinschaft bleibt insoweit von den Kosten verschont. Dies ist in Paragraph 21 Absatz 1 WEG auch ausdrücklich so geregelt.