„Für Menschen mit Behinderungen ist die Bahn eine Vollkatastrophe“ – Verbandsklage eingereicht
(Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. ISL/red; ahi) Dieses Zitat der Bundestagsabgeordneten Stephanie Aeffner (Bündis 90/Die Grünen) trifft es auf den Punkt. Menschen im Rollstuhl kommen ohne fremde Hilfe nicht in die Fernverkehrszüge, weil diese Stufen haben. Die Hilfe muss 48 Stunden im Voraus angemeldet werden. Gibt es kein Personal am Bahnhof, lehnt die Deutsche Bahn AG eine Mitfahrt ab. An den meisten Bahnhöfen dürfen behinderte Menschen dadurch oft nur am Tag mit der Bahn fahren. Wer vor 6 Uhr einen Zug nehmen möchte oder abends nach 20 Uhr irgendwo ankommt, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke.
Daher hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) bereits 2017 die Schlichtungsstelle BGG angerufen und gebeten, eine Schlichtung einzuleiten. Diese Schlichtungsstelle kann Schlichtungsverfahren nur gegen öffentliche Einrichtungen des Bundes einleiten. Die Deutsche Bahn AG zählt als privatwirtschaftliches Unternehmen. Sie befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und wird vom Eisenbahnbundesamt (EBA) und der ihr übergeordneten Behörde, dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) reguliert.
Ein Rechtsgutachten (PDF, externer Link) im Auftrag der Schlichtungsstelle BGG kam 2019 zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Bahn AG die Rechtsvorschriften der EU-Fahrgastrechteverordnung und der UN-Behindertenrechtskonvention missachtet. Die DB AG muss zu allen Zeiten nach vorheriger Anmeldung Menschen mit Mobilitätseinschränkungen den Ein- und Ausstieg gewährleisten. Außerdem geht aus dem Gutachten eindeutig hervor, dass es das Bundesverkehrsministerium in der Pflicht sieht, entsprechend auf die DB AG einzuwirken.
Sowohl die DB AG als auch das BMVI lehnten die Forderungen des ISL, Ein- und Ausstiege für behinderte Menschen zu allen Zeiten an denen Züge im Fernverkehr rollen vorzuhalten, Ende des Jahres 2020 ab. Die Schlichtung ist somit gescheitert. Wenn eine Schlichtung offiziell fehlschlägt, gibt es die Möglichkeit, eine Klage einzureichen.
Von diesem Recht macht der ISL jetzt Gebrauch. Denn barrierefreie Mobilität ist ein Menschenrecht und ein wichtiger Baustein für eine inklusive Gesellschaft. Menschen, die nicht mobil sein können, können nicht gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben.
Im Frühjahr 2021 konnten durch Aktivist*innen mit Behinderungen und viele Unterstützer*innen eine Anschubfinanzierung von über 4.000 Euro innerhalb weniger Tage eingesammelt werden. Für den Prozess wird der ISL 10.000 Euro benötigen. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit, zu spenden, finden Sie hier.