Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen: „Führungsrolle und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem Weg zu einer inklusiven, barrierefreien und nachhaltigen Welt nach der COVID-19-Pandemie“
Am 03. Dezember ist Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen. Ausgerufen wurde dieser im Jahr 1992 von den Vereinigten Nationen. Der Tag soll die Rechte und das Wohlergehen aller Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen fördern und unterstützen sowie für die Bedürfnisse dieser Gruppe sensibilisieren.
Dieses Jahr steht der Tag der Menschen mit Behinderungen unter dem Motto “Leadership and participation of persons with disabilities toward an inclusive, accessible and sustainable post-COVID-19 world”– „Führungsrolle und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem Weg zu einer inklusiven, barrierefreien und nachhaltigen Welt nach der Covid-19-Pandemie“. Menschen mit Behinderungen gehören zu einer der vulnerablen Gruppen, die unter Covid-19 besonders gelitten haben und immer noch leiden. Ihnen stellen sich mehr Herausforderungen und Barrieren in den Weg.
Wo Marginalisierung, Diskriminierung, Gefährdung und Ausbeutung für viele Menschen alltägliche Faktoren sind, wird das erhöhte Risiko durch den eingeschränkten Zugang zu medizinischer Routineversorgung und Rehabilitationsdiensten, ausgeprägtere soziale Isolation und mangelnde Notfallvorsorge für Menschen mit Behinderungen noch verstärkt. Daher fordert der diesjährige Tag der Menschen mit Behinderungen, die besondere Vulnerabilität dieser Gruppe anzuerkennen und aus deren Erfahrungen zu lernen.
Inklusion im Koalitionsvertrag 2021 bis 2025
Die vierte Corona-Welle hat Deutschland fest im Griff. In diesen Zeiten nun deutet sich ein Umbruch in Deutschland an: Von einem jahrelang CDU-geführten Land hin zu einem „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ mit einer Bekennung zum Fortschritt. So jedenfalls will es der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und FDP. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits einige Corona-Maßnahmen angekündigt und spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht ab März 2022 aus. Im Vertrag indes haben die Koalitionäre an erfreulich vielen Stellen Anliegen von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, für die sich u. a. die BAG SELBSTHILFE einsetzte, aufgenommen.
Die Koalitionäre haben die Notwendigkeit der Barrierefreiheit erkannt, sie als intersektionales Thema verstanden und an vielen Stellen festgehalten, so u. a.:
- Lebendige Demokratie: „Wir wollen Gesetze verständlicher machen. Die Barrierefreiheit in den Angeboten von Bundestag und Bundesregierung werden wir ausbauen.“ (S. 10)
- Digitale Infrastruktur: „Wir prüfen Wege hin zu einer besseren digitalen Teilhabe für alle, z. B. durch Barrierefreiheit.“ (S. 16)
- Sport: „Wir erarbeiten unter breiter Beteiligung einen „Entwicklungsplan Sport“ und weiten die Offensive für Investitionen in Sportstätten von Kommunen und Vereinen unter Beachtung von Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion aus und berücksichtigen insbesondere Schwimmbäder stärker. Bei der Sportförderung berücksichtigen wir den besonderen Bedarf von Behindertensport.“ (S. 113)
- Medien- und Kulturpolitik: „Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern und treten für Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein.“ (S. 121)
Auch im Bahnverkehr soll die Barrierefreiheit verbessert werden (S. 49). Um Pressekonferenzen und öffentliche Veranstaltungen von Bundesministerien und nachgeordneten Behörden sowie Informationen zu Gesetzesvorhaben barrierefrei zugänglich zu machen, soll ein Sprachendienst in einem eigenen Bundeskompetenzzentrum Leichte Sprache/Gebärdensprache eingerichtet werden.
Ein weiterer Schwerpunkt soll die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen sein. So soll eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für jene eingeführt werden, die trotz Beschäftigungspflicht keinen Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Weiterhin sollen die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) stärker auf die Integration sowie die Begleitung von Beschäftigungsverhältnissen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet werden. Das Beteiligungsvorhaben zur Entwicklung eines transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystems in den WfbM und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt soll fortgesetzt und die Erkenntnisse umgesetzt werden.
Zudem soll eine ressortübergreifende politische Strategie gegen Gewalt entwickelt werden, die Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Dabei werden auch die Bedarfe vulnerabler Gruppen wie Frauen mit Behinderung, geflüchteter Frauen sowie queerer Menschen berücksichtigt. Weitere Vorhaben zur Inklusion finden Sie im Koalitionsvertrag, v. a. auf den Seiten 78 bis 80.
German Diversity Award 2021
Kurz vor dem 03. Dezember wurden auch die Gewinner der German Diversity Awards 2021 geehrt. In der Kategorie „Disability“ gewann dabei Aktivistin und Expertin für Down-Syndrom Natalie Dedreux. Auch wir möchten ihr an dieser Stelle Glückwünsche aussprechen und ihr weiterhin viel Erfolg in ihrer Aktivistinnenarbeit wünschen.
Gesamtgesellschaftliches Engagement sowie die Arbeit von Aktivist*innen, Verbänden und Ehrenamtlern sind nach wie vor die wichtigsten Instrumente, um Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen von der Notwendigkeit und Überfälligkeit von Inklusion zu überzeugen. Wir hoffen, dass der neue Koalitionsvertrag auch hält, was er verspricht, und dass sich die Koalitionäre umfassend für Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit einsetzen.
Autorin: Anne Hiecke
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