Landesbeauftragter für Inklusion der Menschen mit Behinderungen entsetzt über »Eugenik«-Aussagen des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen

(Landesinklusionsbeauftragter/red; lh) Der Landesbeauftragte für Inklusion der Menschen mit Behinderungen, Michael Welsch, zeigt sich entsetzt über die Aussagen des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS), Klaus Heckemann, der in einem Vorwort der Juni-Ausgabe der KVS-Mitteilungen einer »Eugenik in ihrem besten und humansten Sinn« das Wort redet.

»Allein diese Wortwahl verbietet sich von selbst. Herr Heckemann vertritt darüber hinaus wohl ernsthaft die Auffassung, dass die vermeintliche ‚Gesundheit‘ der Gesellschaft vor die individuelle gestellt werden müsse und es gutes Recht sei, Menschen künftig nach genetischen Anlagen zu selektieren,« so der Landesbeauftragte. »Derartige Aussagen sind auch ein Beleg dafür, dass bis in breite Fachkreise hinein noch häufig von einem rein medizinischen Modell von Behinderung ausgegangen wird, das vordergründig auf Defizite abstellt. Zugespitzt werden so, wie in diesem Editorial geschehen, Behinderungen und chronische Erkrankungen als vermeidbares Risiko angesehen und auf den Kostenfaktor reduziert,« so Michael Welsch weiter.

Demgegenüber steht das menschenrechtliche Modell von Behinderung nach der UN-Behindertenrechtskonvention, das als zentralen Aspekt die Unantastbarkeit der Menschenwürde beinhaltet. Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe. Diese zu gewährleisten, ist Aufgabe des Staates und der ganzen Gesellschaft.

»Herr Heckemann äußert in seinem Editorial, dass ‚die gesellschaftliche und ethische Diskussion‘ hierüber ‚natürlich vorher zu führen‘ sei. Hieraus ergibt sich die Frage, weshalb er seine krude Meinung in einem offiziellen Medium der KVS Sachsen veröffentlicht hat, ohne dass dieser Diskurs stattgefunden hat,« so Welsch weiter.

Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern fordern seit langem, bereits im Hinblick auf die Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränatal-Tests auf Chromosomen-Abweichungen und die seitdem inflationäre Inanspruchnahme desselben, eine breite gesellschaftliche Diskussion (vgl. Positionspapier im Anhang).

Vor dem Hintergrund der Äußerungen Heckemanns ist es für den Landesbeauftragten schwer vorstellbar, wie mit solchen Repräsentanten ernsthafte Gespräche über eine Verbesserung der medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen, z. B. mit Blick auf die mangelhafte Barrierefreiheit vieler Arztpraxen, geführt werden können. Er fordert eine konsequente Aufarbeitung des ungeheuerlichen Vorfalls.

 

Mit Bestürzung hat auch die LAG SH Sachsen von den Vorwürfen gegen den Vorstandsvorsitzenden der KVS Kenntnis genommen. Die LAG SH Sachsen unterstützt daher die Forderung des Landesinklusionsbeauftragten, diesen Vorfall tiefgründig und konsequent aufzuarbeiten.