Lauterbach legt lang erwarteten Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform vor

(Ärzteblatt/red; lh) Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nimmt sichtbare Formen an: Ein ausführlicher Referentenentwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ging am Freitagabend zur Ressortabstimmung in die Ampelkoalition und liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.

Das Gesetz soll weiterhin nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat sein, über eine spätere Rechtsverordnung zur Festlegung von Leistungsgruppen und Qualitätskriterien sollen die Bundesländer mit entscheiden dürfen. Das Gesetz soll nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) noch im April im Bundeskabinett beschlossen werden und Anfang 2025 in Kraft treten.

Im Gesetzentwurf wird der Weg für den Transformationsprozess für die Krankenhäuser in den kommenden Jahren beschrieben. Verwiesen wird hierzu darauf, dass die Bundesländer für die Umsetzung der durch die Krankenhausreform angestoßenen Prozesse ab 2026 aus den Mitteln eines Transformationsfonds zielgenau unterstützt werden können.

Zudem werde die wirtschaftliche Situation und die Liquidität der Krankenhäuser durch „die vollständige, um­fassende und frühzeitige Tarifrefinanzierung sowie durch die Anwendung des vollen Orientierungswerts we­sentlich und nachhaltig verbessert“.

Der Fonds soll bis 2035 geführt werden, und jährlich mit fünf Milliarden Euro gefüllt werden. Der Bund wird seinen Teil pro Jahr 2,5 Milliarden aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen bestreiten, die Länder sollen jährlich einen ähnlichen Beitrag leisten.

Eingeführt werden soll zudem ein nach Bundesländern und Leistungsgruppen differenziertes Vorhaltebudget, die bisherigen Fallpauschalen werden entsprechend abgesenkt. Die Vorhaltepauschalen werden für die Leis­tungsgruppen gezahlt, wenn deren Qualitätskriterien sowie Mindestvorhaltezahlen grundsätzlich erfüllt wer­den und von den Ländern entsprechend zugewiesen wurden.

„Durch die Festlegung und Fortentwicklung bundeseinheitlicher Qualitätskriterien für die jeweiligen Leis­tungs­gruppen wird die Qualität der medizinischen Versorgung gestärkt“, heißt es in dem Entwurf. Künftig sollen die Klinken 60 Prozent der Gesamtvergütung für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.

Zusätzlich zur Vorhaltevergütung sollen die Bereiche Pädiatrie (288 Millionen Euro), Geburtshilfe (120 Millio­nen), Stroke Units (35 Millionen), Spezielle Traumatologie (65 Millionen) und Intensivmedizin (30 Millionen) extra vergütet werden. Die Förderbeträge sollen „zusätzlich zum Vorhaltevolumen auf die förderfähigen Stand­orte verteilt werden“. Auch die Teilnahme an der Notfallversorgung soll extra vergütet werden.

Die Universitätskliniken sollen künftig „für die ihnen zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungs­aufga­ben“ zusätzliche Mittel bekommen, ebenso wie für die spezielle Vorhaltung von Geräten und Personal.

Kostenzuwachs bei Krankenkassen und PKV

Neben den finanziellen Mitteln in Höhe von 25 Milliarden Euro für den Zeitrazm von zehn Jahren, die die gesetzliche Kranken­versicherung (GKV) für den zeitlich begrenzten Transformationsfonds per Abfluss aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds laut den Planungen stemmen muss, kommen aufgrund der vorge­sehenen Zuschläge weitere Ausgabensteigerungen auf die GKV zu. Das BMG schätzt, dass bereits 2024 zusätz­liche Kosten „in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrages“ fällig werden.

Ab 2025 sollen jährliche Mehrausgaben in Höhe von 378 Millionen Euro für Zuschläge zur Pädiatrie und Ge­burtshilfe geleistet werden, die ab 2027 um weitere 327 Millionen Euro für weitere vorgesehene Zuschläge jährlich aufwachsen – dies würde sich auf über 700 Millionen Euro pro Jahr summieren.

Zu erwartende Mehrkosten aufgrund der Maßnahmen zur Einführung der vollständigen Tarifrefinanzierung aller Beschäftigtengruppen sowie bei Anwendung des vollen Orientierungswerts für Krankenhäuser sind laut BMG „noch nicht bezifferbar“, kämen also zur oben genannten Summe noch hinzu. Auch auf die private Kran­kenversicherung (PKV) kommen nach Angaben des Ministeriums geschätzte Mehrkosten in „niedriger drei­stelliger“ Millionenhöhe zu.

Das BMG geht davon aus, dass diesen Mehrausgaben bei GKV und PKV „ab dem Jahr 2025 Effizienzgewinne beziehungsweise Minderausgaben“ gegenüberstehen. Die Minderausgaben sollen sich demnach insbesondere aus einer verbesserten stationären Versorgungsstruktur im Rahmen von Ambulantisierung, Bettenabbau und Spezialisierung herleiten.

„Im Jahr 2025 entstehen den gesetzlichen Krankenkassen dadurch Minderausgaben von 330 Millionen Euro, diese Minderausgaben steigen 2026 auf eine Milliarde Euro und nachfolgend jährlich um jeweils eine Milliar­de Euro an“, so die Schätzung des Ministeriums für die GKV.

Ein Kernstück der Reform sind die Leistungsgruppen, mit der eine Verbesserung der Versorgungsqualität er­reicht werden soll. Sie sollen als „Instrument einer leistungsdifferenzierten und qualitätsorientierten Kran­ken­hausplanung dienen“, heißt es in den Entwurf. Grundlage dafür sind die von Nordrhein-Westfalen bereits erarbeiteten 60 Leistungsgruppen, die dort seit 2022 im Krankenhausplan enthalten sind. Erweitert wird dieser Katalog zum Start der Reform um fünf weitere Leistungsgruppen.

Mit der Definition von Leistungsgruppen sollen bundeseinheitliche Qualitätskriterien festgelegt werden. So­mit sollen die Krankenhäuser entsprechende Leistungen erbringen, die auch die jeweiligen Struktur- und Pro­zessqualitätsmerkmale erfüllen.

Die entsprechende technische Ausstattung, qualifiziertes Personal sowie die jeweilige Fachdisziplin zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung müssen nachgewiesen werden. Der Medizinische Dienst soll diese Aspekte regel­mäßig prüfen. Es sind dabei Stichprobenprüfungen und keine Einzelfallprüfungen geplant. Dies soll auch Bürokratie abbauen – ein weiteres Ziel der Reform.

Enthalten ist auch eine Regelung, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Qualitätsanforderungen nur noch normieren darf, soweit diese nicht bereits in den Qualitätskriterien der Leistungsgruppen festgelegt sind. „Bereits bestehende Richtlinien sind entsprechend aufzuheben, sofern nicht die Qualitätskriterien selbst Bezug auf G-BA-Richtlinien nehmen.“

Neu eingeführt werden sollen „Mindestvorhaltezahlen“ von Leistungsgruppen, die eine Mindestzahl an vom Krankenhausstandort erbrachten Behandlungsfällen darstellt. Diese will das BMG auf Grundlage von Empfeh­lungen vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie dem InEK per Rechtsverordnung gemeinsam mit Zustimmung der Länder festlegen.

Herausgestellt wird ebenso die Versorgung in der Onkologie: Hier soll die Spezialisierung von onkochirurgi­schen Leistungen gefördert werden. „Sofern Krankenhäuser mit ihren Standorten zu den Standorten gehören, die die wenigsten und zusammen 15 Prozent der Fälle mit onkochirurgischen Leistungen in einem Indikati­ons­bereich aufweisen, wird die Abrechnung bestimmter Entgelte bei Fällen, bei denen onkochirurgische Leis­tungen erbracht wurden, ausgeschlossen.“ Damit soll ein Anreiz gesetzt werden, „Gelegenheitsversorgung“ zu vermeiden.

Enthalten ist zudem eine Regelung, nach der die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen können. Das soll auch dann gelten, wenn deren Qualitätskrite­rien nicht erfüllt sind, und wenn dies zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich ist.

Gekoppelt sein soll dies an bestimmte Höchstfahrzeiten bis zur Klinik. Dazu heißt es, die Zuweisung einer Leis­tungsgruppe sei zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erfor­derlich, wenn ein anderes Krankenhaus für die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie in 30 Pkw-Fahrtzeitminuten und für die übrigen Leistungsgruppen in 40 Pkw-Fahrtzeitminuten nicht erreichbar sei.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen

Sogenannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, bislang meist unter dem Begriff Level 1i-Kran­kenhäuser diskutiert, sollen es Krankenhäusern künftig ermöglichen, neben der stationären Behandlung auch sektorenübergreifende Leistungen zu erbringen. Dazu gehören laut Gesetzentwurf das ambulante Operieren, die medizinisch-pflegerische Versorgung, belegärztliche Leistungen sowie Übergangs-, Kurzzeit- sowie Tages- und Nachtpflege.

Näheres, etwa welche stationären Leistungen der Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin oder Geriatrie diese Versorgungseinrichtungen mindestens anbieten müssen, welche weiteren stationären Leistungen erbracht werden können sowie Anforderungen an Qualität, Patientensicherheit und Dokumentation, sollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband vereinbaren.

Klargestellt wird, dass die ärztlichen Leistungen auch von Vertragsärzten, mit denen die sektorenübergrei­fende Versorgungseinrichtung eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat, erbracht werden können sollen.

Die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sollen auch klassische ambulante Leistungen auf­grund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erbringen können. Dazu heißt es im Gesetzentwurf, der jeweilige Zulassungsausschuss müsse sektorenübergreifende Versorgungsein­rich­tungen „für das entsprechende Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 festgestellt hat, auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Beseitigung der drohenden Unterversorgung erforderlich ist“.

Noch einfacher soll der Zugang zur ambulanten Versorgung im hausärztlichen Bereich sein: Hier sollen die Zulassungsausschüsse sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen nach entsprechendem Antrag in allen Planungsbereichen ermächtigen, in denen für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbe­schränkungen angeordnet sind. Dies beträfe den weit überwiegenden Teil der Planungsbereiche – Ende 2022 waren im hausärztlichen Bereich 780 von 984 Planungsbereichen frei von Zulassungsbeschränkungen.

Das BMG weist den sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen „eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung“ zu. Für die Schaffung einer vernetz­ten, interdisziplinären Grundversorgung sei es sinnvoll, diesen Einrichtungen auch allgemeinme­dizinische ambulante Behandlungen im Sinne von allgemeinmedizinischen Institutsambulanzen zu ermöglichen, heißt es.

Dies ermögliche es, die Weiterbildung für Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin an sektoren­über­greifenden Versorgungseinrichtungen „aus einer Hand“ im stationären und im ambulanten Bereich zu absolvieren. Das Ministerium erhofft sich davon eine hohe Attraktivität der sektoren­übergreifenden Versor­gungs­einrichtungen für das medizinische Personal und zugleich einen Beitrag zur hausärztlichen Nachwuchs­gewinnung.

Für die Kommunikation des Gesetzesvorhaben und des Transformationsprozess in die Bevölkerung plant Lau­terbach für die nächsten vier Jahre (ab 2025) jährlich Kosten von vier Millionen Euro ein, so dass es den Bun­deshaushalt mit etwa 16 Millionen Euro belasten würde. Dabei soll es um analoge wie digitale Kommuni­kationsmittel gehen.