Schmerzpatienten werden oft falsch behandelt

(PM ALBERTUS ZENTRUM/ red; pec) Eine Überversorgung mit Medikamenten, zu allgemeine körperlich orientierte Therapieangebote, zu wenig Bewegungsanreize – in der Behandlung von Patienten mit Schmerzen gibt es nach Ansicht von Experten hierzulande momentan große Defizite – das zeigen auch erste Erfahrungen des im Jahre 2018 initiierten Projekts PAIN2020. Sie empfehlen eine multiprofessionell abgestimmte Diagnostik.

Anlässlich des diesjährigen Schmerzkongresses (21.-24.10), haben die Experten der beiden veranstaltenden Fachgesellschaftenen, die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG), die Versorgung von Schmerzpatienten in Deutschland als momentan unzureichend kritisiert.

„Die Erkrankten bekommen häufig zu wenig bedarfsgerechte Therapien“, kritisiert Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrike Kaiser vom universitätsSchmerzCentrum am Universitätsklinikum Dresden. „Um eine individuelle Behandlung zu ermöglichen, ist es unbedingt erforderlich, dass geltende Leitlinien in der Schmerzmedizin auch adäquat umgesetzt werden. Das ist allerdings leider oft nicht der Fall.“ Nach Ansicht der Psychologin sollten diese Leitlinien unbedingt schon zu Beginn der Schmerzerkrankung möglichst genau auf den jeweiligen Bedarf eines Patienten zugeschnitten werden.

Zentrale Elemente in der Schmerztherapie sind – neben einer medizinisch professionellen und individuellen Begleitung – zielgerichtete Bewegungsangebote. „Häufig werden diese viel zu wenig und zu spät eingesetzt“, bemängelt Kaiser. „Neben medizinischen Aspekten und Aktivierungsangeboten sollten auch psychosoziale Faktoren frühzeitig in der Schmerztherapie Berücksichtigung finden“, so die Expertin. „Wenn diese Elemente gemeinsam einbezogen werden, kann eine gezielte, bedarfsgerechte Therapie am besten wirken.“

Um die genannten Defizite in der Schmerztherapie zu beheben, wurde von der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der BARMER 2018 das Projekt PAIN2020 ins Leben gerufen. Bisher wurden hier mehr als 600 Patienten eingeschlossen. Passend zum diesjährigen Motto des Schmerzkongresses 2020 „Gleich und doch verschieden“ steht die interdisziplinäre Schmerztherapie bei dem Projekt PAIN2020 im Mittelpunkt. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Lücke in der Versorgung von Patienten mit Schmerzen und Chronifizierungsrisiko durch einen frühzeitigen interdisziplinären und diagnostischen Ansatz zu schließen“, erläutert Kaiser.

PAIN2020 ist ein deutschlandweit angelegtes Projekt, an dem aktuell 26 Einrichtungen aus zwölf Bundesländern aktiv mitwirken. Die teilnehmenden Patientinnen und Patienten erhalten im Zuge dessen eine multiprofessionelle Diagnostik, die aus drei wichtigen Bausteinen besteht: einer ärztlichen, physiotherapeutischen und psychologischen jeweils einstündigen Befundaufnahme, einer Teamsitzung aller beteiligten Fachbereiche und aus einem gemeinsamen Abschlussgespräch mit dem Patienten. „Hierbei beziehen wir den Schmerzpatienten aktiv ein“, erläutert die Expertin. „Die behandelnden Therapeutinnen und Therapeuten besprechen die Therapiebefunde sorgfältig mit den Betroffenen und stimmen die Versorgung anschließend auf die individuellen Bedürfnisse ab.“ Die Ergebnisse aus solchen Besprechungen werden standardisiert dokumentiert – und zwar in einer Form, die für Patienten gut nachvollziehbar ist.

Die bisherigen Erfahrungen aus PAIN2020 zeigen, dass Haus- und Fachärzten bei der Identifikation von Patienten mit Risikofaktoren für eine Chronifizierung ihrer Schmerzen eine große Bedeutung zukommt. Nach der multiprofessionellen Diagnostik ist es ihre Aufgabe, die Empfehlungen, die frühzeitig zu Beginn der Schmerzerkrankung mit einem Patienten erarbeitet wurden, umzusetzen. Das bedeutet, dass eine gezielte Vernetzung  der Schmerzexperten aus den verschiedenen Fachbereichen essenziell für den Therapieerfolg ist.

Der Deutsche Schmerzkongress findet in diesem Jahr vom 21. bis 24. Oktober online statt.

Weitere Infos unter: https://deutscherschmerzkongress.de/