Stellungnahme: Michael Kretschmers Vorschlag der Arbeitszeitverlängerung um eine Stunde pro Woche für alle

„Würde jeder Erwerbstätige in Deutschland nur eine Stunde pro Woche länger arbeiten, würde sich ein großes Potenzial für die Bekämpfung des Fachkräftemangels ergeben.“ Das sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kürzlich in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dafür erntete er bereits viel Kritik. So ließ Sachsen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) verlauten: „Wenn er [Michael Kretschmer, A. d. R] jetzt eine Verlängerung der Arbeitszeiten im Osten fordert – in dem Wissen, dass wir hier ohnehin schon bis zu zwei Wochen mehr arbeiten als im Westen – ist das zynisch“. Auch die Landesvorsitzende der LINKEN, Susanne Schaper, ist aus rein pragmatischen Gründen gegen eine Arbeitszeitverlängerung: „Länger arbeiten führt keineswegs zu einem höheren Arbeitsertrag. Entscheidend ist die Arbeitsproduktivität.“

Regierungschef Michael Kretschmer mahnte weiterhin: „Wenn wir die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in der Zeit des demografischen Wandels stabilisieren wollen, müssen wir mehr leisten und länger arbeiten.“ Sozialministerin Petra Köpping sagte dazu: „Das ist kein Beitrag zur Fachkräftesicherung, sondern ein Rentenkürzungsvorschlag auf dem Rücken der Beschäftigten.“

Auch die LAG SH Sachsen ist der Meinung, dass mehr Leistung und längere Arbeitszeit nur zu Lasten der Arbeitnehmer*innen geht und nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Unter Umständen ergäbe sich daraus eine höhere Anzahl an erwerbsunfähigen Personen aufgrund körperlicher Überbelastung oder psychischen Erkrankungen und somit eine gesteigerte Inanspruchnahme der von Kretschmer genannten Versicherungsträger. Aus Sicht der LAG SH Sachsen kann eine solche Maßnahme daher nicht dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Vielmehr schlägt die LAG SH Sachsen als einen ersten Schritt vor, dass alle Beschäftigten verpflichtet sind, in die gesetzlichen Sozialversicherungen einzuzahlen – demnach auch Abgeordnete und Beamte.

Teilzeitmodelle sind für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen essenziell

Kretschmer forderte ferner die Überarbeitung des Rechtsanspruchs auf Teilzeit: „Auch das Teilzeit- und Befristungsgesetz passt nicht in die Zeit. Natürlich sollte es weiterhin Teilzeitmodelle geben, aber der allgemeine Rechtsanspruch auf Teilzeit muss überdacht werden und sollte auf wichtige Bereiche wie zum Beispiel die Pflege von Angehörigen beschränkt sein.“

Insbesondere sind auch Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen auf Teilzeitmodelle angewiesen. Regelmäßige Arztbesuche, Therapien und behördliche Termine schränken den Alltag eines behinderten Menschen ohnehin schon ein. Die Möglichkeit der Teilzeitarbeit gleicht diese zusätzliche Last aus. Oft kommt hinzu, dass die Erkrankung des Menschen zusätzliche Energieressourcen in Anspruch nimmt, die es ihm nicht ermöglichen, in Vollzeit zu arbeiten.

Der Anspruch auf Teilzeit ist über den § 8 TzBfG hinaus für Menschen mit Behinderungen auch im § 164 Abs. 5 SGB IX festgehalten. Da Michael Kretschmer die seines Erachtens nach wichtigen Bereiche über die Pflege von Angehörigen hinaus nicht spezifiziert hat, kann die LAG SH Sachsen nicht beurteilen, inwiefern seine Beschränkungen auch Menschen mit Behinderungen betreffen würden.

Stellungnahme als PDF-Datei

Quellen:

Redaktionsnetzwerk Deutschland

Tagesschau

Sachsen Fernsehen